Nachdem die Neue Osnabrücker Zeitung (NOZ) am 15.01.2022 über die Durchsuchung bei einem Fridays for Future (FFF) Aktivisten in Osnabück berichtet hat, versuche ich die rechtlichen Hintergründe an dem Beispiel zu erläutern und was bei Wohnungsdurchsuchungen zu beachten ist.
Grundsätzlich können Menschen unter verschiedenen Voraussetzungen durchsucht werden. Ich möchte in diesem Beitrag auf die Durchsuchung bei Beschuldigten eingehen. Der Gesetzestext lautet wie folgt:
Bei dem, welcher als Täter oder Teilnehmer einer Straftat oder der Datenhehlerei, Begünstigung, Strafvereitelung oder Hehlerei verdächtig ist, kann eine Durchsuchung der Wohnung und anderer Räume sowie seiner Person und der ihm gehörenden Sachen sowohl zum Zweck seiner Ergreifung als auch dann vorgenommen werden, wenn zu vermuten ist, daß die Durchsuchung zur Auffindung von Beweismitteln führen werde.
§ 102 StPO
Wo kann überhaupt durchsucht werden?
Grundsätzlich können sowohl Personen selber oder Sachen z.B. Taschen sowie Wohnungen und Räume durchsucht werden. Da die Durchsuchungen im Osnabrücker Fall eine Wohnungsdurchsuchung war, beschränke ich mich hier auf die Durchsuchung von Wohnungen und Räumen. Häufig sind davon die eigenen Vier-Wände betroffen, aber auch Geschäftsräume und andere Räumlichkeiten, in denen sich die beschuldigte Person häufig aufhält, können betroffen sein.
Im Fall des FFF-Aktivisten ist dies bereits ein wichtiger Punkt. Laut Bericht wohnt die beschuldigte Person in einer WG. Durchsucht werden darf also normalerweise nicht die gesamte Wohnung, sondern nur Räumlichkeiten, in denen sich die beschuldigte Person gewöhnlich aufhält. Das eigene Zimmer, die Gemeinschaftsküche oder andere gemeinsam genutzte Räume können deswegen durchsucht werden. Die Räume seiner Mitbewohner:innen sind aber für die Polizei Tabu!
Wer kann von der Durchsuchung betroffen sein?
Alle Menschen, gegen die ein Anfangsverdacht besteht, können von Durchsuchungen betroffen sein. Gibt es z.B. Anhaltspunkte dafür, dass bei der Durchsuchung der Wohnung Beweismittel gefunden werden können, reicht das grundsätzlich aus.
Laut NOZ-Bericht steht der Vorwurf der Sachbeschädigung im Raum, weil die „Hasewelle“, also ein Indoor-Surfbecken in einem Osnabrücker Modehaus, mit grünen Farbbeuteln eingefärbt worden ist. Hier stellen sich aber schon erste Fragen: Eine Einfärbung des Wassers alleine reicht eher nicht für eine Sachbeschädigung aus. Es kann natürlich sein, dass auch das Becken selber gefärbt worden ist und die Farbe haften geblieben ist. Aber solange die Farbe leicht abwaschbar war, wird es mit dem Vorwurf der Sachbeschädigung schon eng. Ob eine Tat strafbar war oder nicht, hängt übrigens nicht davon ab, ob dem Modehaus ein Schaden durch den Wechsel des Wassers oder abgesagte Veranstaltungen entstanden ist. Geht es nur um das eingefärbte Wasser und den Beckenrand, der leicht abwaschbar ist, gibt es zumindest keine Sachbeschädigung. Hier würden Anwält:innen vermutlich bereits ansetzen und versuchen Beschwerde gegen die Durchsuchung einzulegen.
Darf die Polizei bei einem Anfangsverdacht meine Wohnung einfach so durchsuchen?
Auf keinen Fall! Normalerweise muss ein Richter Durchsuchungen anordnen. Nur bei Gefahr in Verzug können auch die Strafverfolgungsbehörden selber eine Durchsuchung anordnen. Das steht einerseits natürlich in der Strafprozessordnung (§105 StPO) andererseits aber sogar in unserer Verfassung (Art. 13 Abs. 2 GG). Das soll den Schutz der eigenen Vier-Wände besonders stärken. Wenn Strafverfolgungsbehörden Gefahr in Verzug angenommen haben, sollte die betroffene Person schnellstens anwaltlichen Rat einholen. Die Strafverfolgungsbehörden müssen Gründe benennen, weswegen sie Gefahr in Verzug angenommen haben. Ob Gefahr in Verzug besteht, wird durch Polizei und Staatsanwaltschaft manchmal sehr weitreichend interpretiert und bietet Anwält:innen die Möglichkeit einzugreifen. Natürlich können auch richterliche Anordnungen durch höhere Instanzen überprüft werden und sind ebenfalls nicht immer wasserdicht.
Im Fall des FFF-Aktivisten besteht laut Zeitungsbericht eine richterliche Anordnung. Es wurde also der förmliche Weg beschritten und eine unabhängige Person hat überprüft, ob eine Wohnungsdurchsuchung rechtmäßig wäre. Natürlich ist niemand zu 100% unparteiisch und auch Richter:innen können Fehleinschätzungen unterlaufen. Deswegen prüfen Anwält:innen die Anordnungen von Gerichten intensiv auf Fehler, um die Anordnung durch höhere Instanzen überprüfen zu lassen. Manchmal können sogar kleine Formfehler die Rechtmäßigkeit einer Anordnung kippen.
Was prüfen Gerichte denn vor der Anordnung von Durchsuchungen?
Wenn die Strafverfolgungsbehörden Wohnungen durchsuchen wollen, prüfen Gerichte vor allem die Verhältnismäßigkeit. Leider gibt es keine starren Kriterien, wann eine Durchsuchung verhältnismäßig ist und wann nicht. Subjektivität spielt bei der Beurteilung immer eine Rolle, sodass Beschwerden bei höheren Instanzen sinnvoll sein können. Grob gesagt, ist die Verhältnismäßigkeit die Abwägung von Pro- und Contra-Argumenten.
Bezogen auf die Durchsuchung beim FFF-Aktivisten gehen aus der NOZ nur wenige Anhaltspunkte hervor, ob die Anordnung der Durchsuchung verhältnismäßig war. Geht es wirklich ausschließlich um eine Sachbeschädigung ist aber bemerkenswert, dass die Durchsuchung angeordnet worden ist. Sachbeschädigungen werden in vielen Fällen gar nicht angeklagt, sondern aus verschiedenen Gründen oder gegen Auflagen eingestellt. Selbst wenn eine Sachbeschädigung angeklagt wird, stehen am Ende in den allermeisten Fällen nur sehr geringe Strafen. Der Strafrahmen ist mit maximal 2 Jahren oder Geldstrafe eher am unteren Rand des Strafgesetzbuches. Dagegen spricht natürlich das Interesse des geschädigten Unternehmens, dass Straftaten gegen sein Eigentum auch aufgeklärt werden. Wohlbemerkt ist das nur von Bedeutung, wenn überhaupt eine Sachbeschädigung vorliegt, was angesichts des Artikels nicht abschließend beurteilt werden kann. Wenn die Straftat schon gar nicht vorliegt, sind natürlich auch Durchsuchungen ohne jede Grundlage.
Und nach der Durchsuchung?
Verhältnismäßig muss nicht nur die Anordnung der Durchsuchung sein, sondern auch die Durchführung. Wenn die Polizei Handys, Laptops oder andere Dinge aus der Wohnung mitnimmt, um diese zu untersuchen, lässt sich auch das vor dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit überprüfen. Wie auch der FFF-Aktivist im Zeitungsbericht einwendet, zählen Handys oder Laptops zu nahezu unersetzlichen Gegenständen, um Dinge des täglichen Lebens zu bewerkstelligen. Vor dem Hintergrund, dass der FFF-Aktivist zur Zeit der Durchsuchung ein Online-Praktikum durchgeführt hat, kann sogar das Grundrecht auf Berufsfreiheit berührt sein. Auch deswegen lohnt sich ein genauer Blick auf die Verhältnismäßigkeit.
Eine abschließende Beurteilung ist aufgrund des Zeitungsartikels nicht wirklich möglich. Raten würde ich aber dennoch, dass Betroffene den gesamten Sachverhalt mit eine:r Anwält:in des Vertrauens zu besprechen.
Wie verhalte ich mich während der Durchsuchung?
In einer Situation, die vermutlich nicht alltäglich ist und eine hohe Belastung darstellt, fällt es zwar schwer aber vor allem eins: Einen kühlen Kopf bewahren!
Beleidigungen oder gar körperliche Abwehrversuche der Durchsuchung führen nicht dazu, dass die Durchsuchung verhindert werden kann. Im Zweifel folgen weitere Strafverfahren wegen solcher Verhaltensweisen. Ruft am besten sofort Eure:n Anwält:in an. Bei Durchsuchungen können Betroffene aus Emotionalität Äußerungen tätigen, die ihnen später zum Verhängnis werden. Außerdem kann die betroffene Person oft nicht beurteilen, ob alle Regeln einer Durchsuchung eingehalten werden. Gute Strafverteidiger:innen haben meist eine Notfallnummer, wenn Durchsuchungen nachts oder an Wochenenden stattfinden, also die Büros nicht besetzt sind. Mich erreicht ihr zum Beispiel unter: 01573/2728471. Auf keinen Fall müsst ihr Sorge haben zu „stören“. Es gehört zum Job dazu, Mandant:innen in schweren Situationen wie Durchsuchungen zu helfen. Telefonisch können dann erste Maßnahmen besprochen werden und vielleicht ist es sogar nötig, dass ihr anwaltliche Unterstützung vor Ort bekommt. Ihr solltet die Polizei oder Staatsanwaltschaft darum bitten, dass die Durchsuchung erst beginnt, nachdem ihr anwaltliche Unterstützung habt.
In jedem Fall dürft ihr bei der Durchsuchung dabei bleiben und den durchsuchenden Personen „über die Schulter“ schauen, aber natürlich nicht bei der Arbeit stören. Wenn mehrere Räume gleichzeitig durchsucht werden, könnt ihr sogar Bekannte hinzuziehen, um die Durchsuchung zu beobachten. Eventuell verursachte Schäden solltet ihr dringend protokollieren und vor Ende der Maßnahme ein Protokoll der ggf. beschlagnahmten Gegenstände verlangen. Unterschreiben solltet ihr allerdings nichts und dazu darf Euch auch niemand zwingen.
Aus dem Zeitungsbericht wird nicht klar, ob bei der Durchsuchung eine Anwältin oder ein Anwalt dabei war. In jedem Fall rate ich Euch dringend dazu!
Gibt es weitere Gründe, die für das Hinzuziehen von Anwält:innen sprechen?
Eine fachkundige Person, die ausschließlich auf Eurer Seite steht, unabhängig davon, was Euch vorgeworfen wird, gibt Euch erstmal etwas Sicherheit. Außerdem haben Anwält:innen in Strafverfahren Rechte, die ihr als Beschuldigte nicht habt. Dazu gehört die Akteneinsicht. Eigentlich ist nur so zu erfahren, wie Strafverfolgungsbehörden auf Eure Spur gekommen sind und ob bereits hier Fehler gemacht worden sind, sodass in der Folge auch die Durchsuchung rechtswidrig gewesen sein kann. Auch wenn durchsuchende Personen eigentlich nur ihren Job machen, sind diese manchmal voreingenommen und sehen in den Betroffenen ohne Urteil Kriminelle. Wenn anwaltlicher Beistand anwesend ist, lässt sich ein Gespräch auf Augenhöhe besser führen.
Auch der FFF-Aktivist berichtet davon, dass er die Maßnahme der Polizei als ruppig empfunden hat. Natürlich hat niemand das Anrecht auf höfliche Polizist:innen, aber wenn die Schwelle der Unhöflichkeit überschritten wird, können auch Anwält:innen ungemütlich werden.
Und nun kurz und knapp: Wie verhalte ich mich bei einer Durchsuchung?
- Ruhig bleiben und Dienstausweise der Personen zeigen lassen.
- Rechtlichen Beistand kontaktieren, z.B. unter 01573/2728471.
- Durchsuchung beobachten, protokollieren und nichts sagen oder unterschreiben.
- Den Rest regeln Anwält:innen dann.
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